Carbohydrat-defizientes Transferrin - DocCheck Flexikon (2024)

Synonyme: Kohlenhydrat defizientes Transferrin, „Asialotransferrin“, Desialotransferrin
Abkürzung: CDT
Englisch: carbohydrate-deficient transferrin

Inhaltsverzeichnis

  • 1 Definition
  • 2 Isoformen des Transferrins
  • 3 Pathomechanismus
  • 4 Labordiagnostik
    • 4.1 Präanalytik
    • 4.2 Analytik
  • 5 Interpretation
    • 5.1 Varianten des Transferrins
    • 5.2 Verschiedene Analyseverfahren
    • 5.3 Einfluss von Krankheiten und Schwangerschaft
  • 6 Aussagewert
    • 6.1 Was sagt ein erhöhter CDT aus?
    • 6.2 Problematik der Aussagekraft
  • 7 Weitere Parameter für chronischen Alkoholabusus
  • 8 Quelle

Definition

Das im Serum bestimmbare Kohlenhydrat-defiziente Transferrin, kurz CDT, umfasst eine Gruppe an Transferrin-Isoformen, deren prozentualer Anteil am Gesamtransferrin bei chronischem Alkoholabusus ansteigt. Es ist außerdem ein wichtiger Parameter bei der Diagnostik kongenitaler Glykosylierungsstörungen. Die Gruppe der Transferrin-Isoformen die dem CDT angehören, umfasst Asialo-, Monosialo- und Disialotransferrin, in manchen Testverfahren auch Trisialotransferrin.

Isoformen des Transferrins

Als Glykoprotein verfügt Transferrin neben einem Peptid-Grundgerüst auch über Kohlenhydratketten. Deren Ausprägung in Größe und Verzweigung ist recht variabel, im Normalfall endet jedoch jede Seitenkette mit einem Sialinsäure-Rest. Die Anzahl der Sialinsäure-Reste lässt sich aufwändig bestimmen- sie reicht von keinem bis zu 8 Sialinsäure-Resten. Dabei finden sich die Isoformen A-, Mono- und Octasialotransferrin gar nicht oder nur zu <1% im Serum gesunder Probanden. Bei chronischem Alkoholismus dagegen scheint eine ethyltoxische Beeinträchtigung der Synthese der Kohlenhydratketten zu bestehen, die zu einer Verschiebung zu Transferrin-Molekülen mit wenigen Sialinsäure-Resten führt. Bei angeborenen Glykosylierungsstörungen (CDG) variieren je nach Lokalisation des Defekts in den Zellorganellen und des CDG-Typs die Anteile der verschiedenen Isoformen. Häufig für CDG I ist eine Erhöhung der Disialotransferrin Isoform, während bei CDG II Asialo-, Monosialo-, und Trisialotransferrin erhöht sind.

Pathomechanismus

Der Pathomechanismus für die alkoholbedingte Entstehung von CDT ist noch nicht geklärt. Vermutet wird eine funktionelle Beeinträchtigung der Synthese der Kohlenhydrat-Ketten im Golgi-Apparat durch Ethanol oder sein Abbauprodukt Acetaldehyd. Dafür spricht eine Alkohol-induzierte bis zu 50%ige Aktivitätsabnahme der Sialyltransferase, der N-Acetylglucosaminyltransferase und der Galactosyltransferase im Golgi-Apparat.Zudem wurde jedoch auch eine gesteigerte Aktivität der hepatischen Sialidase bei Ratten, denen Alkohol appliziert wurde, festgestellt. Da die Sialidase Sialinsäure-Reste von Glykoproteinen abspaltet, könnte auch ihre Aktivitätszunahme für den erhöhten Verlust an Sialinsäure-Resten von Transferrin-Molekülen verantwortlich sein.

Labordiagnostik

Präanalytik

Um valide CDT-Werte zu erhalten ist keine spezielle Vorbereitung des Patienten von Nöten. So scheint der CDT-Anteil am Gesamttransferrin nicht durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst zu werden. Ebenfalls scheinen Pharmaka keinen Einfluss auf die Messergebnisse zu haben. Das gilt auch für Disulfiram®, ein Aldehyddehydrogenase-Inhibitor, der als unterstützendes Medikament beim Alkoholentzug eingesetzt wird.Die Probe kann am sitzenden oder liegenden Patienten abgenommen werden. Die Tageszeit spielt für die CTD-Serum-Konzentration nur eine untergeordnete Rolle.Da Plasma für die folgende Analyse ungeeignet ist, sollten Vollblut- oder Serumproben eingeschickt werden. Dabei sollte eine zügige Weiterverarbeitung oder eine ausreichende Kühlung gewährleistet sein, da die CDT-Werte ungekühlter Proben nach 3 Tagen signifikant erhöht sind. In gefrorenem Zustand sind die Serum-Proben bei -22°C -Lagertemperatur Monate bis Jahre haltbar. Vollblutproben dagegen dürfen nicht tiefgekühlt werden, da eine ausgeprägte Hämolyse die folgende Analytik wesentlich beeinträchtigt. Eine Kontamination mit Bakterien muss vermieden werden, da die bakterielle Sialidase-Aktivität zu einem Anstieg der CDT-Konzentration führt. Während Gerinnungsbeschleuniger keinen Einfluss auf das spätere Ergebnis haben, ist der Einsatz von Antikoagulanzien, wie Heparin, zu vermeiden.

Analytik

  1. In der Proben-Analyse wird zunächst die Fraktion der CDT von der Fraktion der Nicht-CDT getrennt. Dies kann z.B. mittels der Isoelektrischen Fokussierung (IEF) erfolgen: Da die verschiedenen Transferrin-Isoformen alle einen spezifischen isoelektrischen Punkt aufweisen, können sie an Hand von diesem in einem Medium mit verschiedenen definierten pH-Wert-Stufen, aufgetrennt werden. Weil Transferrin bezüglich der Eisenbindung physiologisch in 3 verschiedenen Formen vorkommt (kein Eisen-Ion, ein Eisen-Ion oder zwei Eisen-Ionen gebunden) und der Grad der Eisensättigung einen wichtigen Einfluss auf den isoelektrischen Punkt ausübt, muss das Transferrin zunächst mittels der In-vitro-Transferrin-Fe3+-Sättigung vollständig mit Eisen-Ionen gesättigt werden.
  2. Nachdem das Nicht-CDT, also Transferrin-Moleküle mit mehr als 2 (oder 3) Sialinsäureresten, und andere Serumbestandteile entfernt wurden, kann das CDT nun immunologisch quantitativ nachgewiesen werden. Hierfür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung: Radioimmunoassay (RIA), Enzyme-Immunoassay (ELISA), Immunturbidimetrie, Immunfixation

Interpretation

Varianten des Transferrins

Durch Aminosäureaustausch ergeben sich verschiedene genetische Transferrin-Varianten. Von diesen ca. 38 bekannten Varianten, kommen nur 4 in >1% der Fälle vor. In Europa ist Transferrin C mit 95% am häufigsten vertreten. Das Wissen um genetische Varianten ist wichtig, da Transferrin B zu falsch niedrigen und Transferrin D zu falsch hohen CDT-Werten führen kann. Bei Verdacht auf eine genetische Transferrin-Varianz mit fraglichem CDT-Spiegel muss daher nach in vitro Entfernung aller Sialinsäure-Reste durch Neuraminidase eine Isoelektrische-Fokussierung durchgeführt werden, um die tatsächliche Transferrin-Variante zu identifizieren.

Verschiedene Analyseverfahren

Wie bei der Bestimmung nahezu aller Laborparameter, müssen die Labor-spezifischen Referenzbereiche beachtet werden. Zum einen gibt es Unterschiede bei der Methodik zur CDT-Bestimmung, andererseits ist für die Ergebnisinterpretation entscheidend, was im durchgeführten Test zum CDT zählt. So wäre die alleinige Detektion von Asialotransferrin als CDT-Repräsentant möglich. Manche Tests rechnen jedoch neben A-, Mono-, Disialotransferrin auch noch Trisialotransferrin zum CDT.

Einfluss von Krankheiten und Schwangerschaft

Da die absoluten CDT-Werte auch bei verschiedenen Erkrankungen und in der Schwangerschaft ansteigen, wobei hier eine Zunahme des Gesamttransferrins zu verzeichnen ist, sollte der CDT-Anteil am Gesamttransferrin in Prozent bestimmt werden.CAVE: Auch bei einigen nicht ethyltoxischen Leberveränderungen, wie bei der primär billiären Leberzirrhose (PBC), bei einer chronisch aktiven Hepatitis und beim primären Leberzellkarzinom steigt der CDT relativ an! Außerdem sind die oben angesprochenen genetischen Transferrin-Varianten zu beachten, die jedoch selten vorkommen (in Deutschland ca. 1% der Bevölkerung).

Aussagewert

Was sagt ein erhöhter CDT aus?

Der CDT-Wert im Serum steigt relativ an, wenn an mindestens 7-10 aufeinanderfolgenden Tage mindestens 50-80g Alkohol konsumiert werden. Ein kurzfristiger Alkohol-Missbrauch führt also nicht zu erhöhten CDT-Werten. Obwohl ein Verlust von Sialinsäure an Glykoproteinen normalerweise den sofortigen intrahepatischen Abbau zur Folge hat, verlängert sich die Halbwertszeit bei CDT auf 14 Tage, während sie bei Nicht-CDT nur ca. 7 Tage beträgt. Die CDT-Erfassung ist momentan der spezifischste Test zur Diagnostik eines chronischen Alkohol-Abusus. So führt die Testung der anderen Marker für chronischen Alkohol-Missbrauch häufig zu falsch-positiven Ergebnissen, da diese Parameter auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen ansteigen. Einen CDT-Anstieg bedingen, neben chronischem Alkoholkonsum, nur wenige und seltene Erkrankungen, die zumeist differential-diagnostisch gut abzuklären sind. Die Sensitivität schwankt durch verschiedene abhängige Einflussgrößen zwischen 22% und 100%. Somit lässt sich über die CDT-Bestimmung ein chronischer Alkoholabusus detektieren und der Erfolg einer Entzugstherapie überwachen.

Problematik der Aussagekraft

Da für hoch valide Ergebnisse bezüglich der Korrelation zwischen Alkoholaufnahme und CDT-Anstieg kontrollierte Trinkversuche nötig wären, die jedoch ethisch nicht vertretbar sind, muss auf die Aussagen der betroffenen Patienten und Probanden zurückgegriffen werden. Da hier die Genauigkeit und der Wahrheitsgehalt der Aussagen nicht garantiert werden können, wird die mangelende Validität vieler Arbeiten bezüglich des CDT kritisiert.

Weitere Parameter für chronischen Alkoholabusus

  • γ-Glutamyltransferase (γ-GT)
  • Mittleres korpuskuläres Volumen der Erythrocyten (MCV)

Quelle

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